Liebe auf den zweiten Blick
Bellas Geschichte beginnt Anfang der 70er Jahre.
Mein Vater hatte von einem Bekannten ein Modellboot geschenkt bekommen. Eine Mahagoniyacht – keine Riva, die die meisten Modellbauer mit Mahagonibooten verbinden. Das Boot war genau einen Meter lang und hatte hinter dem Cockpit einen Kajütaufbau. Das Unterschiff und Dach des Kajütaufbaus waren in Hellblau lackiert, Beschlagteile in Messing gefertigt. Angetrieben wurde das Boot von einem Verbrennungsmotor.
Der Rumpf war aus einem mahagonifurnierten Styroporkörper. Diese Art Modellbootrümpfe herzustellen war in den sechziger Jahren weit verbreitet. Den eingebauten Verbrennungsmotor ersetzten wir durch zwei Elektroantriebe. Das Boot wurde einige Male zu Wasser gebracht, wurde aber niemals optisch aufgebessert.
Vielleicht hat es an meinem damaligen Alter gelegen – jedenfalls fand ich das Mahagonidesign ätzend und überredete meinen Vater das Boot umzubauen. Es entstand ein anderer Aufbau in weißem Lackdesign, der aber nie fertig gestellt wurde.
Mitte der 80er entfernte ich den angefangenen Aufbau und das Boot verschwand für Jahre im Keller.
2011 war ich auf der Suche nach einem Bootsrumpf, den ich mit einem schnellen Antrieb aufrüsten wollte. Da fiel mir das Mahagoniboot in die Hände. Mehrere Umzüge hatten ihre Spuren hinterlassen und so manch anderer hätte das Boot sicher der Entsorgung zugeführt. Aber es war jetzt schon knapp vierzig Jahre in meinem Besitz und wurde bisher nicht gut behandelt…
Die Zeit war gekommen, dies wieder gut zu machen.
Da nur noch der leere Rumpf vorhanden war, konnte ich die Gestaltung vollkommen neu vornehmen. In den acht Monaten Bauzeit enstand ein viersitziges Sportboot. Die Ausgestaltung wurde komplett in Mahagoni gefertigt. Um Gewicht zu sparen, wurden die Innenwände des Cockpits aus furniertem Styropor gefertigt.Im Falle eines Unfalls dienen sie so zusätzlich als Auftriebskörper, falls das Modell zu sinken droht.
Die Sitze wurden ebenfalls aus Styropor hergestellt und anschließend mit Kunstleder bezogen. Das ursprüngliche Furnier des Rumpfs und des Oberdecks wurde allerdings nur geschliffen, wobei der Heckspiegel des Bootes neu furniert werden musste. Abschließend wurde das Boot sechs mal mit Bootslack versiegelt.
Wirft man einen Blick ins Innere, so fällt einem die Fülle an Einbauten auf. Dazu gehören auch die Schläuche der Wasserkühlung. Durch die Geschwindigkeit wird Wasser in den Kühlkreislauf gedrückt, wodurch alle thermisch beanspruchten Komponenten während des Betriebes gekühlt werden.
Der 2,4 GHz Empfänger (1) empfängt alle Befehle, die der Fahrer über seine Fernsteuerung sendet. Angetrieben wird das Boot von zwei 1080 W Brushless Motoren (2), die jeder von einem seperaten 100A Regler (3) angesteuert werden. Das Boot hat mittig einen konventionellen Motor (4), der zum Ab- und Anlegen genutzt wird. Dieser befindet sich unter seinem Regler (5), der auch die Stromverteilung, die Betriebsspannung für alle Komponenten, wie z.B. den Ruderservo (6) übernimmt. Die Energie hierzu liefert der 8,4V NiMH-Akku (7). Die beiden Hauptmotoren haben eine eigene Stromversorgung, einen 14,8V Lipo-Akku (8). Da dieser Akkutyp nur in einem engen Spannungsfenster betrieben werden darf, wird er von einem Lipo-Warner (9) überwacht, der im Falle einer zu hohen Entladung ein Warnsignal sendet und die Leistungsentnahme begrenzt.
Am 30. Mai 2014 ließ sich Bella nicht mehr lenken, raste ungebremst auf das Ufer zu und traf das einzige Abwasserrohr, was ich an diesem See jemals gesehen habe. Bella überschlug sich über die Längsachse und trieb kielaufwärts im Wasser. Aufgrund ihres Styroporanteils konnte sie nicht sinken, aber der Schaden war beträchtlich. Da es unmöglich war, nur einen Teil zu reparieren, musste der ganze Rumpf neu furniert werden. Von März bis Mai 2015 stellte ich mich dieser Herausforderung, denn Furnierarbeiten über einen gewölbten Körper hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeführt. Dazu wurde das Furnier in Streifen geschnitten, damit es sich der Wölbung möglichst gut anpasst. Um die Maserung des Holzes beizubehalten, wurden mit Bleistift Linien auf das Furnier aufgebracht, die später beim Schleifen verschwanden. Früher zog der Rumpf im Kielbereich Wasser. Dies konnte ich jetzt entgültig beheben, indem ich vor Aufbringen des neuen Furniers den Rumpf komplett mit GFK laminierte. Das Oberdeck wurde bei dieser Maßnahme ebenfalls restauriert und Bella bekam eine flachere Scheibe mit Chromrahmen. Seit 2016 hat sie eine Pilotenfigur und die Rücksitzbank wurde durch eine Ablagefläche ersetzt. Hier kann jetzt eine Kamera befestigt werden.
Bellas Unfall wurde zufällig auf Video festgehalten [ohne Audio]